StartseiteStartseiteÜber TiranmarAnmeldenLoginNeueste BilderSuchen

Tiranmar
Geographie Seefahrt Fauna Flora Religion Magie Magische Phänomene Sagen und Legenden
Völker Sprachen Kunst und Kleidung Maße und Preise Geschichte Wissen und Forschung Kalender



Sagen und Legenden





Einst lebte ein junger Ritter in einem großen Reich. Seine Heimat war ein schönes Land mit vielen Feldern, Weiden und Wiesen, umgeben von zwei mächtigen Gebirgen und einem großen Wald. Ein großer, blauer Strom floss hindurch, der im Süden ins Meer mündete, wo das Reich endete. Das Land war reich an Früchten der Natur, und die Menschen, ob sie Bauern, Handwerker, Ritter oder Fürsten waren, lebten darin zufrieden. Der junge Ritter, der Sohn eines angesehenen Adligen und ein schön gewachsener, ansehnlicher Jüngling, wuchs am Hofe seines Vaters auf und hatte alles, was sein Herz begehrte. Er lernte zu reiten, zu jagen und den Kampf mit dem Schwert, doch vor allem hatte es ihm die Kunst des Lautenspiels angetan. Gerne verbrachte er seine Tage damit, im Hof der väterlichen Burg zu sitzen oder mit seiner treuen Fuchsstute durch das Land zu reiten, um dann bald seine Laute hervorzuziehen und eine wunderbare Melodie erklingen zu lassen. Dabei spielte er nur solche Lieder, die er selbst erdacht hatte, und er unterlegte sie mit selbst geschriebenen Gedichten. Meist handelten seine Gesänge von Liebe und Sehnsucht, wenngleich er selbst in seinen jungen, unschuldigen Jahren noch nie eine Dame berührt hatte. So sang er mit klarer, reiner Stimme von den Zaubern der Liebe, ohne selbst viel davon zu verstehen, doch seine Lieder klangen schön, und er wurde allgemein dafür gelobt. Einige Jahre später rief sein Vater, ein ernsthafter Mann, den Jüngling zu sich und sprach mit ihm. „Du hast nun lange Zeit damit verbracht, hier zu sitzen und Laute zu spielen. Es ist an der Zeit, dass du die Welt, von der du singst, selbst kennenlernst. Es kann schließlich nicht angehen, dass mein Erbe die Welt nur aus Liedern kennt.“
Der junge Ritter verneigte sich vor seinem Vater und machte sich noch am gleichen Tag ganz allein mit seiner Stute auf den Weg. Er fasste den festen Entschluss, nun alles über die Welt zu lernen, was es zu wissen gab, und als ebenso kluger und ernsthafter Mann wie sein Vater zu ihm zurückzukehren. Als er jedoch seine Laute auf seiner Lagerstatt liegen sah, konnte er nicht anders und packte sie ein.
So ritt er davon, winkte nur einmal kurz seinem Vater, seiner Mutter, die ihm zum Abschied einen hübschen Federhut geschenkt hatte, und seinem jüngeren Bruder zu, ehe er sich umwandte und voller Neugier in die Welt hinaus zog. Viele Tage lang ritt er über sonnenbeschienene Wiesen und durch lichte Wälder, vorbei an Kornfeldern und den Weiden von Kühen und Pferden. Die Menschen grüßten ihn freundlich, und manche hübsche Maid in den Dörfern warf ihm aufgrund seiner schönen Gestalt freundliche Blicke zu, doch er bemerkte es in seinem Unwissen nicht. Gerne spielte er Lieder und sang für sie, doch am nächsten Tage zog er weiter. Dabei schlug er seinen Weg Richtung Westen ein, und nach einer Weile begann sich das Land fast unmerklich zu verändern.
Seine Stute trug ihn nun weniger über saftige Weiden als über windiges Heideland, durchsetzt von kleinen Gruppen von windzerzausten Kiefern. Heidekräuter und trockene Gräser begannen, das saftige Weideland seiner Heimat zu ersetzen, und er fand Eidechsen, die sich auf Felsen sonnten, und Herden von Schafen, die von den Hirten dieses Landstriches gehütet wurden. Dennoch wusste er, dass er sich noch immer im Reich befand, denn die Menschen grüßten ihn, wenn auch mit ernsteren Gesichtern, und sprachen in seiner eigenen Sprache zu ihm. Nachdem er so eine Weile durch dieses Land geritten war, meinte er zu sich, dass diese Gegend zwar anders war als seine Heimat, sie ihm aber auch ganz gut gefiel, und er begann ein Lied über die Heide zu dichten.
Schließlich erreichte er einen großen Fluss. Die Sonne brannte nun wärmer auf ihn herab, und er ließ seine Stute trinken. Danach überquerte er den Fluss bei einer großen Steinbrücke in einer Stadt, und folgte dem Weg auf der anderen Seite. Nun kam er in eine andere Gegend und sah mit Erstaunen kleine Wäldchen aus Eichen, Pinien und Olivenbäumen. Er war in einen südlicheren Teil des Reiches gekommen, wo die Menschen fröhlich waren, und die Männer und Frauen in den Weinbergen, gekleidet in weite, bunte Kleidung, riefen ihm freundliche Grüße zu. Gerne wäre er hier geblieben, doch er sagte sich, wenn er nun schon so weit gekommen war, wollte er nun auch die Grenze des Landes erreichen. So ritt er weiter, und es dauert nur noch eine Woche, da stand er am Rande seines Heimatlands.
Vor ihm ragte eine dunkelgrüne Wand auf, eine dichte Mauer aus Buschwerk und Bäumen, so schien es ihm, eine undurchdringliche Wildnis aus Pflanzen. Er hatte den Rand des großen Waldes erreicht. Doch als er näher kam, sah er, dass es durchaus Pfade zwischen den Bäumen gab, und das der Wald gar nicht so undurchdringlich war, wie er zuerst aussah. Neugierig, wenn auch mit klopfendem Herzen, trieb er seine Stute hinein.
Im Wald umfing ihn Stille. Nur leise rauschte eine Brise in den Wipfeln der hohen Bäume, von Zeit zu Zeit rief ein Vogel, doch ansonsten blieb alles ruhig. Kein Mensch lebte hier. Die Sonne malte Muster aus Licht und Schatten durch das Blätterdach auf den Boden, wo Pilze und Haselwurz wuchsen. An den hohen Bäumen, die das Blätterdach trugen wie große Säulen, schlang sich Efeu und Moos empor. Von Zeit zu Zeit kam er an einem kleinen Bach entlang und ließ seine Stute trinken, während er selbst sein Gesicht benetze. Immer tiefer drang er in den Wald vor, und bald blieb der Rand weit hinter ihm. Die Bäume begannen, enger zusammenzurücken, und er musste sich seinen Weg durch dichten Farn und Wurzeln suchen. Gerade als er sich fragte, ob er nicht lieber umkehren sollte, hörte er plötzlich ein Geräusch.
Es kam aus den Tiefen des Waldes vor ihm, und zunächst glaubte er, er habe sich getäuscht oder würde einer Sinnestäuschung unterliegen, doch je näher er dem Ursprung des Geräuschs kam, desto deutlicher hörte er – Gesang. Die klare und liebliche Stimme eines weiblichen Wesen wehte durch den Wald zu ihm herüber und trug eine Melodie an sein Ohr, die ihm vollkommen fremd war und ihn dennoch mit nie gekannter Sehnsucht erfüllte. Mit vor Aufregung wild pochendem Herzen saß er von seiner Stute ab und schlich näher zu der Stelle, woher die Stimme kam. Bald erreichte er eine Lichtung und den Fuß eines grasbewachsenen Hügels. Der junge Ritter wandte seinen Blick nach oben und sah einen großen Baum, eine mächtige alte Eiche, dort auf der Hügelkuppe stehen, mit weit ausladenden Ästen und knotigem Stamm. Zu ihren Füßen entsprang ein kleiner Bach, und zahlreiche Vögel flatterten in ihren Ästen. Unter dem Baum jedoch saß ein junges Mädchen von so außergewöhnlicher Schönheit, dass der Jüngling alles andere vergaß, sondern sie nur verzückt betrachten konnte, wie sie dort saß und ihr melodisches Lied sang, während Vögel zu ihren Füßen und im Baum saßen und ihr lauschten. Sie trug Kleidung aus feinem Wildleder und hatte ihr langes, weißblondes Haar mit einem Band zusammengebunden. Einige Strähnen hatten sich jedoch gelöst und umschmeichelten nun ihr schmales, anmutiges Gesicht. Sie hatte große und ausdrucksvolle, leicht schräg stehende Augen und hohe Wangenknochen, ein schmale Nase und einen wundervoll geschwungenen Mund. Unter ihrem Haar schauten die Spitzen ihrer Ohren hervor, die sie als Mitglied des elfischen Volkes kennzeichneten, doch der junge Ritter dachte nicht weiter nach, sondern sprang hinter dem Baum hervor und lief auf das Mädchen zu. Sie jedoch sprang erschrocken auf, als sie ihn bemerkte, und verschwand im Wald. Er lief ihr nach und rief, doch nur einen Moment später war sie zwischen den Bäumen verschwunden. Er begann sie zu suchen, irrte stundenlang im Wald umher, doch das Mädchen war verschwunden.Schließlich kehrte er verzweifelt zu dem großen Baum zurück und ließ sich zu seinen Füßen fallen. Der Jüngling lehnte sich an den Stamm und weinte, voller Sehnsucht nach dem schönen Mädchen, bis er schließlich einschlief.
Während er schlief, schien der Baum jedoch mit einem Mal zum Leben zu erwachen. Es raschelte in den Blättern, und die Äste beugten sich zu dem jungen Ritter herab. Auch der kleine Bach blieb nicht das, was er war. Das Wasser bewegte sich wie von Geisterhand, und kleine, fast unsichtbare Wesen stiegen aus der Quelle empor. Eine sanfte Brise wehte zu ihm herab und umschmeichelte sein Haar, und kleine Kreaturen aus Blättern stiegen aus dem Baum herab, um sich neben ihn zu legen. Ohne zu wissen, war der junge Ritter an einem magischen Orte eingeschlafen, und während Geisterwesen ihm näher kamen, begann er, wild zu träumen. Merkwürdige Farben und Klänge erfüllten seine Träume, und als er schließlich wieder in ruhigen Schlaf fiel, war dieser tief und dauerte lang.
Als der Jüngling jedoch erwachte, merkte er sofort, dass sich etwas verändert hatte. Seine Kleidung lag zu seinen Füßen, und der Baum schien größer zu sein als zuvor. Er wollte aufstehen, konnte jedoch seinen Körper kaum beherrschen, bis er plötzlich feststellte, dass er statt Armen Flügel besaß. Halb erstaunt, halb entsetzt blickte er an sich herab und fand sich in einen Vogel verwandelt. Weiße Federn an seinem Bauch und braune, getupfte an seinem Rücken ließen keinen Zweifel daran. Er hüpfte etwas unbeholfen zu dem Bach und blickte sein Spiegelbild an. Dort blickte ihm das Gesicht eines kleinen Vogels entgegen, der statt eines Hutes nun einen dunklen Federschopf besaß. Gerade als er sich fragte, ob er noch immer träume, bewegte sich plötzlich etwas im Wald. Vorsichtig flatterte er, und es gelang ihm, sich auf einem unteren Ast des Baumes niederzulassen, während die schöne Elfe erneut aus dem Wald trat. Sie sah die Kleidung auf dem Boden liegen und blickte zu dem seltsamen Vogel auf. Sie lächelte, und begann erneut ein Lied zu singen. Eine Weile lauschte ihr der Ritter in Gestalt des Vogel, dann öffnete er seinen Schnabel und begann, ihr zu antworten. Entgegen seinen Befürchtungen hatte seine Stimme nichts von ihrer Klarheit und Schönheit verloren, im Gegenteil, die Vogelstimme schien noch schöner zu sein als seine menschliche. Als die Elfe in den Wald zurückkehrte, folgte er ihr, saß auf ihrer Schulter oder flog neben ihr her und sang mit ihr gemeinsam den ganzen Tag lang. Am Abend jedoch brachte sie ihn zurück zu der Eiche.
„Du hast eine wunderschöne Stimme“, sagte sie zu ihm, und obgleich sie in ihrer eigenen Sprache zu ihm sprach, verstand er jedes Wort.
„Dein Herz ist von großer Sehnsucht erfüllt. Doch du bist kein Vogel, du bist ein Mensch. Und als Mensch gehörst du nicht hierher.“
Traurig ließ sich der Vogel auf einem Ast nieder.
„Die Geister des magischen Baumes haben dir einen Tag als Vogel gegeben, damit du bei mir sein konntest. Dieser Tag ist nun vorbei, und so muss ich Abschied von dir nehmen.“
Da überkam den Vogel eine große Müdigkeit, und er schaffte es gerade noch, auf den Boden zu flattern, ehe er einschlief. Die Elfe sah ihn traurig an, dann wandte sie sich um und kehrte in den Wald zurück. Wieder besuchten die Blattwesen, die Wasser- und Windgeister den Jüngling während er träumte, und als er erwachte, war er wieder ein Mensch.
In einer Mischung aus Trauer und Freude dachte er an die Elfe zurück, doch auch an die Worte, die sie zu ihm gesprochen hatte. So suchte er seine Stute, die nicht weit entfernte graste, und ritt zurück. Es dauerte eine Weile, bis er den Rand des Waldes erreichte. Er ritt weiter und reiste noch lange Zeit durch fremde Länder, sah viele Menschen und Städte, bis er endlich in seine Heimat zurückkehrte. Doch bei all dem konnte er nie das schöne Mädchen vergessen, dass er im Wald gesehen hatte.
Als er zu seinem Vater zurückkehrte, war dieser schon alt, und es war an der Zeit, dass der junge Ritter sein Erbe antrat. Der einstige Jüngling hatte sich verändert, er war älter und reifer geworden und hatte viel gelernt. Er führte das Gut seines Vaters viele Jahre lang, und unter seiner sanften, aber klugen Hand erblühte das Land. Die Menschen ehrten ihn, doch eines konnten sie nicht verstehen: Dass der Ritter sich nie eine Frau nahm, sondern dies seinem jüngeren Bruder überließ. Kein Mädchen, und sei sie auch noch so schön, konnte ihn beeindrucken, und Zeit seines Lebens sang er voll Sehnsucht von der Elfe im Wald, auch wenn niemand außer ihm diese Geschichte kannte und verstand, wovon er sang. So wurde er langsam älter, und schließlich spürte er, dass seine Lebenszeit sich dem Ende zuneigte. Er sprach mit seinem Bruder und dessen Söhnen und wünschte ihnen alles Gute, dann verließ er zum letzten Mal seine Heimat und machte sich erneut auf den Weg nach Westen.
Wieder durchquerte er das Heideland, kam zu dem großen Fluss und reiste durch das sonnige Land am Rand des Waldes. Dann sah er den Waldrand vor sich. Er spürte, dass sein Tod nun nicht mehr fern war, denn die Reise durch den Wald fiel ihm bereits schwer. Er fürchtete, den Weg zu dem Baum nicht mehr wieder zu finden, doch schließlich erreichte er die Lichtung mit dem Hügel. Erschöpft kam er zu Füßen der Eiche an, legte sich auf das Gras und schloss die Augen. Er atmete tief aus und blieb dann still.
Eine Weile lang geschah nichts. Die Sonne sank langsam hinter den Wipfeln der Bäume herab, und Dunkelheit breitete sich aus. In der Nacht jedoch raschelte es in dem Baum, zunächst nur ganz leise. Die Blattwesen stiegen zu ihm herab, und auch im Fluss sprudelte und gluckerte es, als die Wassergeister sich erhoben. Wind und Dunkelheit umfingen den leblosen Körper des alten Ritters, und im Mondschatten des magischen Baumes begann er sich erneut zu verwandeln. Die Kleider glitten von ihm herab, als er kleiner wurde, und Federn sprossen aus einer Haut. Ein Schnabel wuchs aus seinem Gesicht hervor, und Schwanzfedern sprossen. Schließlich lag der kleine Vogel zu Füßen der Eiche.
Am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang kam die Elfe zu ihm. Während er gealtert war, hatte sie sich nicht verändert, denn wie alle ihres Volkes war sie unsterblich. Das schöne Mädchen beugte sich zu dem Vogel herab und flüsterte: „Du bist zu mir zurückgekehrt. Nun will ich zu dir kommen.“
Dann begann sie sich selbst zu verwandeln. Auch ihr wuchs ein Federkleid, und schon nach einigen Augenblicken legte sie sich als Vogel neben den anderen. Als die Sonne aufging und ihre ersten Strahlen die beiden berührten, regten sie sich und richteten sich auf. Erstaunt und glücklich erkannte der Vogel das Mädchen in seiner Begleiterin, und gemeinsam flogen sie davon in den Wald.
Seitdem leben in den Tiefen der Wälder Vögel mit braun-weißem Federkleid und einem Federschopf am Kopf, die den Wald mit dem süßen Klang ihrer schönen Stimme erfüllen. Wegen ihrer Stimme werden sie „Tatami“ genannt, was in der Sprache der Elfen „klangvoll“ bedeutet, und nie wird die Geschichte des Jünglings und der Elfe vergessen werden, solange ihre Stimmen zwischen den Bäumen erklingen.